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Austauschwechselwirkung

Was versteht man unter Austauschwechselwirkung?

Die Austauschwechselwirkung stabilisiert die ausgerichteten Elementarmagnete, also die atomaren Spins, in magnetischen Materialien. Nur deshalb ist die parallele Ausrichtung der Elementarmagnete in Ferromagneten so stabil und nur deshalb sind die magnetischen Kräfte zwischen verschiedenen Magneten oder zwischen ferromagnetischem Eisen und einem Magneten so stark. Die physikalische Ursache für die Austauschwechselwirkung ist das Pauli-Prinzip.
Inhaltsverzeichnis
Die Austauschwechselwirkung äußert sich als eine Kraft, die zwischen den Elementarmagneten, nämlich den Elektronenspins, in einem Festkörper wirkt. Die Austauschwechselwirkung ist eine nur über die Quantentheorie zu verstehende Kraft und beruht auf dem Pauli-Prinzip. Sie hat nicht direkt etwas mit dem magnetischen Moment der Elektronenspins zu tun und ist nicht einfach eine Kraft, die dadurch zustande kommt, dass ein Elementarmagnet im Material magnetische Kräfte auf einen benachbarten Elementarmagneten ausübt. Diese magnetischen Kräfte wären viel zu klein, um die starke Austauschwechselwirkung in Ferromagneten zu verstehen. Die Kräfte, welche dem Pauli-Prinzip folgen, können enorm sein. Diese Kräfte sind sogar stark genug, um Neutronensterne gegen den Gravitationskollaps zu stabilisieren. Nur die Kraft einer Supernova, also eines explodierenden Sterns, die ein schwarzes Loch hinterlässt, kann die Kräfte des Pauli-Prinzips überwinden.
Elektronen sind sogenannte Fermionen. Sie können sich nach dem Pauli-Prinzip nicht am gleichen Ort befinden, wenn sie sich in keiner weiteren Größe (wie beispielsweise der Richtung des Spins) unterscheiden. Dies sagt das Pauli-Prinzip über Elektronen aus.

Zustandekommen der Austauschwechselwirkung

Die Austauschwechselwirkung kommt nun dadurch zustande, dass die verschiedenen Elektronenspins in einem ferromagnetischen Stoff sich gerade nicht in der Richtung des Spins unterscheiden dürfen. Dies liegt daran, dass das Pauli-Prinzip durch Symmetrieeigenschaften der Fermionen, also der Elektronen, bestimmt wird, die unterschiedliche Konsequenzen für die Ausrichtung des Spins haben können (zwei Elektronen am gleichen Ort müssen entgegengesetzten Spin haben, zwei Elektronen in einem ferromagnetischen Material dürfen dagegen gerade keinen entgegengesetzten Spin haben). Wie es das Pauli-Prinzip im Ferromagneten also gerade verbietet, dass die Spins benachbarter Elektronen entgegengerichtet sind, wirkt eine Kraft zwischen den Elektronen, welche die Parallelstellung der Spins stabilisiert. Diese Kraft wird als Austauschwechselwirkung bezeichnet (Details siehe unten).

Konsequenzen der Austauschwechselwirkung

Im Folgenden soll zunächst auf die Konsequenzen der Austauschwechselwirkung eingegangen werden.
Der Elektronenspin trägt ein magnetisches Moment. Dieses magnetische Moment wird durch ein äußeres Magnetfeld ausgerichtet. Existieren in einem Festkörper ungepaarte Elektronenspins an den einzelnen Atomen (wie in Paramagneten und Ferromagneten), so kommt es zu einer Magnetisierung des gesamten Festkörpers durch eine Parallelstellung der magnetischen Momente aller Atome, da sich die Beiträge aller ungepaarten Elektronenspins bei der Parallelstellung zu einer Magnetisierung des gesamten Festkörpers aufsummieren.
Bei den Paramagneten ist die Austauschwechselwirkung zwischen den ausgerichteten Elektronenspins viel kleiner als die thermische Energie, also die Bewegungsenergie, der beteiligten Elektronen. Dadurch bleiben bei Raumtemperatur die Elektronenspins eines paramagnetischen Materials nicht dauerhaft ausgerichtet. Bei den Paramagneten geht die Magnetisierung nach Abschalten des äußeren Magnetfeldes verloren, da die Stabilisierung der ausgerichteten Elektronenspins durch die Austauschwechselwirkung eben nicht größer ist als die thermische Energie der Elektronen. Bei ferromagnetischen Materialien jedoch verbleibt die Magnetisierung auch nach Abschalten des äußeren Magnetfeldes. Demnach ist die Austauschwechselwirkung in Ferromagneten größer als die thermische Energie.
Ein magnetisierter Ferromagnet wird nicht ohne Weiteres wieder entmagnetisiert. Nur harte Schläge, hohe Temperaturen oberhalb der Curie-Temperatur oder auch ein entgegengesetzt polarisiertes äußeres Magnetfeld der Koerzitivfeldstärke können die Austauschwechselwirkung der Elektronenspins und damit die Magnetisierung überwinden.

Phänomen der Weißschen Bezirke

Interessanterweise magnetisiert sich ein Ferromagnet nicht spontan, sondern es kommt zu einer Ausrichtung der Elektronenspins innerhalb bestimmter Bereiche des Materials, wobei die Elektronenspins innerhalb eines solchen Bereichs untereinander parallel ausgerichtet sind. Diese Bereiche werden Weißsche Bezirke genannt.

Darstellung der Austauschwechselwirkung, welche die atomaren Spins stabilisiert
Das Bild symbolisiert die magnetischen Momente der Elektronenspins als kleine Pfeilchen. Lange Pfeile, die über die Begrenzung der Bilder hinausgehen, zeigen eine magnetische Flussdichte an, die im gesamten Material resultiert, also ein Magnetfeld. Man spricht in diesem Fall von einer makroskopischen Flussdichte. Ohne äußeres Magnetfeld sind die Spins eines paramagnetischen Stoffs statisch orientiert (linkes Bild). Die Magnetisierung ist insgesamt Null. Durch ein äußeres Magnetfeld kommt es zur Ausrichtung der Spins, also zur Magnetisierung (zweites Bild von links). Bei Ferromagneten sind die Spins in weiten Bereichen vollständig parallel ausgerichtet und ein Teil der Magnetisierung verbleibt aufgrund der Austauschwechselwirkung auch nach dem Abschalten des Feldes (zweites Bild von rechts). Entmagnetisierungsprozesse äußern sich darin, dass die Spins wieder vermischt werden, bis sich die Beiträge der einzelnen Spins gegenseitig kompensieren. Dennoch bleiben die Spins in weiten Bereichen (den Weißschen Bezirken) parallel ausgerichtet (ganz rechts). Oft ändert sich die Ausrichtung aller Elektronenspins in einem Weißschen Bezirk kollektiv.
Das Phänomen der Weißschen Bezirke, die aufgrund der Austauschwechselwirkung entstehen, kann in einem makroskopischen Modell illustriert werden. Dazu betrachtet man ein Set von Kompassnadeln, die drehbar auf einer Platte gelagert sind und sich gegenseitig beeinflussen. Dieses Modell entspricht auch der obigen Abbildung.
In einem Experiment können alle Kompassnadeln durch ein äußeres Magnetfeld ausgerichtet werden. Durch den Einfluss der Temperatur (Bewegung der Kompassnadeln) oder mechanischen Einfluss von außen (Schläge auf das Brett) passiert es, dass ganze Gruppen von Kompassnadeln ihre Ausrichtung ändern. Die Kompassnadeln innerhalb einer solchen Gruppe bleiben dabei aber oft parallel ausgerichtet. Dieses kollektive Verhalten kann bei Elektronenspins direkt beobachtet werden. Es handelt sich tatsächlich um Sprünge in der Ausrichtung der Elektronenspins innerhalb einer ganzen Gruppe von Elektronen. Man spricht bei Elektronenspins von Barkhausen-Sprüngen. Der Bereich einer solchen parallel ausgerichteten Gruppe ist dann ein Weißscher Bezirk. Grund für Ihre kollektive Bewegung ist die gegenseitige Wechselwirkung, die Austauschwechselwirkung. Es ist energetisch günstiger, wenn eine ganze Gruppe von Elektronenspins gleichzeitig die Ausrichtung ändert, als wenn dies jeder Elektronenspin für sich tut.
Im Experiment können die Barkhausen-Sprünge in Ferromagneten hörbar gemacht werden. Dies kann über einen Verstärker und einen Lautsprecher geschehen. Die Barkhausensprünge machen sich dann als "Knacken" im Lautsprecher bemerkbar, da sich bei einem Barkhausen-Sprung das Magnetfeld an der Oberfläche leicht verändert und einen kurzen Strompuls induziert (vgl. Kapitel Barkhausen-Sprung).

Ferromagnetischer Staub ordnet sich an den Bereichsgrenzen von Weißschen Bezirken an
Ferromagnetischer Staub ordnet sich an den Bereichsgrenzen von Weißschen Bezirken an
Auch die Weißschen Bezirke selbst können direkt beobachtet werden. In einem Experiment kann auf ein magnetisiertes Material feiner ferromagnetischer Staub gegeben werden. Dieser ordnet sich dann besonders entlang der Bereichsgrenzen zwischen verschiedenen Weißschen Bezirken an und bildet dort dunkle Linien (vgl. Abbildung rechts). Verschieben sich die Weißschen Bezirke, so beobachtet man die Verschiebung dieser Bereichsgrenzen (Barkhausen-Sprung).
Zunächst scheint es nicht verblüffend, dass benachbarte Elektronenspins wechselwirken, denn die magnetischen Momente der Elektronenspins beeinflussen sich gegenseitig, und somit könnte man annehmen, dass das Magnetfeld eines Elektronenspins das Magnetfeld eines benachbarten Elektronenspins beeinflusst. So geschieht es im Modell der Kompassnadeln.
Es kann jedoch gezeigt werden, dass diese magnetische Kraft viel zu klein ist, um die starke Stabilisierung der Elektronenspins gegen die thermische Bewegung in Ferromagneten zu erklären. Nicht die magnetischen Kräfte, sondern die Austauschwechselwirkung stabilisiert die Parallelstellung der Elektronenspins.

Die Bedeutung des Pauli-Prinzips für die Austauschwechselwirkung

Wie gesagt, beruht die Austauschwechselwirkung auf dem Pauli-Prinzip. Das Pauli-Prinzip hat eine sehr grundlegende Bedeutung. Es beruht auf Symmetrieüberlegungen. Genauer muss das Pauli-Prinzip so verstanden werden, dass die Wellenfunktionen von benachbarten Elektronen in einem Festkörper antisymmetrisch zueinander sein müssen. Das bedeutet, dass sich die Elektronen genau in einer oder in drei Eigenschaften unterscheiden dürfen (wenn alle anderen Eigenschaften "symmetrisch" sind), nicht jedoch in zwei Eigenschaften. Das Produkt zweier antisymmetrischer Wellenfunktionen ist sonst wieder symmetrisch.
Genau genommen muss eine ungerade Anzahl von Funktionen antisymmetrisch sein, wenn alle anderen Funktionen, die die Eigenschaften der Teilchen beschreiben, symmetrisch sind. Bei den benachbarten Elektronen in einem Festkörper handelt es sich um Elektronen mit antisymmetrischer Orts-Wellenfunktion. Alle anderen Funktionen sind symmetrisch. Man kann sich dies so vorstellen, dass die Elektronen sich hinsichtlich ihres Ortes unterscheiden, aber sonst in keiner weiteren Größe. Deshalb muss auch die Wellenfunktion, die den Spin beschreibt, symmetrisch sein. Die Elektronen dürfen sich also in einem Ferromagneten im Spin nicht unterscheiden.
Aus dem gleichen Grund also, warum die Elektronen innerhalb eines Atoms nicht am gleichen Ort auch den gleichen Spin haben können, dürfen die Elektronen benachbarter Atome in einem ferromagnetischen Festkörper nicht unterschiedlichen Spin haben.
Deshalb stabilisieren sich in einem Ferromagneten die Elektronenspins untereinander aufgrund des Pauli-Prinzips. Es kann sich nicht einfach ein einzelner Elektronenspin umdrehen.



Portrait von Dr. Franz-Josef Schmitt
Autor:
Dr. Franz-Josef Schmitt


Dr. Franz-Josef Schmitt ist Physiker und wissenschaftlicher Leiter des Fortgeschrittenenpraktikums Physik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er war 2011–2019 an der Technischen Universität beschäftigt und leitete diverse Lehrprojekte und das Projektlabor Chemie. Sein Forschungsschwerpunkt ist zeitaufgelöste Fluoreszenzspektroskopie an biologisch aktiven Makromolekülen. Er ist ausserdem Geschäftsführer der Sensoik Technologies GmbH.

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